Der
Brennende
Busch

Gerhard Kerner

Drei Gedichte

Exorzismus

Wenn die Nacht nachkommt
Mit verständigen Armen
Meine Glieder abzeichnet
Blei auf die Lider legt
Das gleichmäßige Heben und Senken des Brustkorbs
Teilnahmsvoll beobachtet
Straflos zwischen meinen Schenkeln ruht
Und hitzig sich reibt
Dann
Treibt irgendwer Wonnepüppchen in das
Langsam erwachende karge Varieté meiner
Gedanken
Ruft Minstrels auf die Bühne
Scharlachfarbene Tiere
Mit verlegenen Mienen
Hortet zerlumpte Bettler
Schafherdengleich und arm an Gesten
Schichtet messerschwingende Unholde
Die aus Nebeln steigen
Kettet Gewichte an meine Füße
Hemmt mit Genuß hilflose Fluchten
Oder treibt mich in die flaumigen Arme
Papageienfarbiger Mischwesen
Zwischen ihr und den Wolken
Die Netzstrümpfe tragen
Und
In allem willfährig sind
Trommelt an meine Stirn
Läßt Brausetabletten in meinem Mund zerspringen
Und wenn er sich dann wieder schlafen legt
Stehe ich auf
Um mir
Die Nacht aus dem Gesicht zu rasieren
Ratlos wie zuvor

Deutscher Detailbericht aus der Eisernen Jungfrau Horus Erzählt

- das sind alles sadisten - sagt die runde kleine blonde frau = der mann steht verlegen lächelnd an ihrer fuchspelzbewehrten seite = linkshändig schaukelt sie den kinderwagen exklusiv aus blauem leinen und ihre augen werden dunkel und schmal und auf der strasse liegt schneematsch zu wellen gehäuft = ampeln wechseln ihre farbe = vom himmel pendeln wolken fast bis auf die köpfe herab und an den mund der frau ist ein bisschen nebelwatte geklebt - das sind alles sadisten die ihre kinder mißhandeln - so redet sie rundweg und sie wisse schon was mit denen anzustellen sei = ihr mann wechselt das standbein = sie wisse schon - jaja - denn das seien alles sadisten und ein weihnachtspäckchen schwingt in ihrer rechten hand - aufs streckbett spannen muss man sie und mit glühenden zangen foltern ihnen die knochen im leib zerhacken schön langsam damits recht wehe tut dann die augen ausstechen und die zunge aus dem mund herausreissen mit dornigen ruten geisseln und die haut abziehen - denn das seien alles sadisten meint sie nickend und zuhause warten tannenzweige verzweifelt aufs lametta =

Schlachthofchor

Nach getaner Arbeit
Steht der Schlachter stille
Ringsum dampfen Kadaverstückchen ihre Blutfracht hoch
Ein Messer steckt
Im Boden zwischen den Zehen
Die Arbeitskluft ist an ihren Nähten geplatzt
Lacoste at it's best
Fleischteile schimmern durch
Letzter Schweiß kühlt sich langsam in Hautfalten ab
Stiefel reiben an Waden
Die vierundachtzig Schlachterkollegen
Betrachten ihre roten Nacken
Stehen stille

Nach getaner Arbeit
Schmallippig eingereiht
Flüstern
Feierabend
Lächeln stolz
Beklopfen anerkennend Kollegenschultern
Gewienerte Knöpfe und Köpfe blinken

Nach vollbrachter Arbeit
Steht der Schlachter stille
Falten vierundachtzig Schlachterkollegen
Ihre gekrösegekrönten Hände
Und der Feldkaplan
Diese dralle Himmelshure
Spitzt fett und festlich die Lippen
Brüllt feierlich
Helm ab zum Gebet

Aus vierundachtzig Schlachterkehlen
Quillt gierig

Ich bete an
Die Macht der Liebe


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Kurzgeschichte von Andrew Alexander
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