[Der Brennende Busch]

[ulf.kress]

 
[höllenmechanismus im hochofen.]
von achtundzwanzig hunden
durch die wüste der stadt gehetzt
kakteen gesät
in den hinterhöfen
eurer köpfe
den hochhäusern
von weizenschauern im
warmen sommerregen erzählt
den untergang gepredigt
kleine zungen
ganz kleine zungen
mit kohlenglut in den haaren
durch den frischen asphaltgeruch gewuchtet
stets verfolgt
vom tempo deines
zeitgeistgefühls
ihre hand gepackt
in den passagen der kaufhäuser
nach spargel gestochen
dreiundzwanzig mal
alle tage verflucht an denen
ich dich das erste mal traf
zwischen zwei meiner tränen
dreitausend lügen in den augen haben
und leere versprechungen auf den lippen
mein herz die hure
für ein nichts aus dem brustkorb gerissen
die verankerung nun verzehrt
unter kleidern versteckt und liegengelassen
im eisschrank
vergessen suchen
für meine sehnsucht
für meine betonstadt.
 
im grabenbruch
von sogenannten
soziokulturellen unterschieden
nach lachs getaucht
ein ums andere mal
wieder nur den hering
überm lagerfeuer fremder seelen gegrillt
dabei von marx geträumt
am menschenbild gescheitert
und keine weiteren
in stein gehauen
bis auf gesichter meiner gewalt
im zwischenbreich
von privat
und noch mehr privat
dem bärtigen in den kamm geschoren
und zwei lämmer zum opferstein
im einkaufszentrum geschleppt
deren blut
gemischt mit dem meinen
aus strohhalmen gesaugt
mit einem himbeerlächeln in den lippen
und vanillegeruch an den zähnen.
 
[reise durch ostdeutschland]
atmosphäre eingeatmet
asbest geschluckt
auf den strassen nach dem teer gefahndet
ob er wohl hofft
auf räume
spickt er meine lunge entzwei
da war sie
halt meine luft
halt mein herz
lass deinen diener nicht ersticken
im schweisse deines süßen dufts
die inseln mich erklimmen sehn
verbrenn
verbrenn
du bist so schön
mach es besser als das dresden meines augenblicks
vor fünfzig jahren
hör nicht auf die zeit
die erscheint als band
zwischen gestern und jetzt
vielleicht schon morgen mordet das rotkehlchen
bei sonnenaufgang
um den nachwuchs über den winter zu bringen
in diesem moment
garten eden eden gefickt
in den augen meines gehirns
nach dessau ziehts mich fort
und weg verweile nicht
ich kanns nicht halten
grau
grau
grau
wo grün
einst triumphe feierte
im bett berlin als hure
wo goldne waagen standen
heute nur
braunkohle regiert in den köpfen
bald böhmen bald
bald böhmen
kommt
vom pfad ab
wenn links und rechts die hölle
einstürzt auf den beinen
der heiligen jungfrau reiten
die scharen
doch bringen kein licht
ins dunkel vergangener schatten
wenn deutschland fällt
es ist gefallen
mit mir zusammen
ist sie auch gefallen
von schlecht nach schlechter
von gut nicht besser
komprimiert ins format
damit es endlich paßt
wird keine seele finden
keine ruhe suchen
im kollektiv
schon bald
schon bald
bin ich
von der mitte der flut verschluckt.
 
[videogegenwart]
transparenz für schwächlinge
ideologien-schichtung par excellence
milliardenfach geprobt
schon in den spielzimmern unserer ahnen
nachgeahmt im hier und jetzt
bis auf die sekunde genau
den timecode unten rechts im display
die ordnung analysiert
habt ihr noch lange nicht
zu erkennen geglaubt bei weitem nicht
zu verstehen versucht noch lange nicht
als er noch was war
der unterschied
bezug zwischen subjekt und objekt
verlorengegangen in sogenannter
jugendkultur
aufgefressen vom geifernden medium
das blitze in unsre wohnezimmer schleudert
nach dem gelungenen gericht
fertigmahlzeiten
aus wiederverwendeten weißblechdosen
ein schier unerschöpflicher brunnen
geerntet mit und ohne geschmack
jungs und mädels
die neunziger sind tot
vielleicht mehr tot als ihr es seid
begreift ihr nicht
jahrtausendwende geschieht
nicht nur jahrhundert
aber damals
hab ich ja schon
picasso und braqué
beim pissen über den ärmel geschaut.
 


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