WANDLER, Zeitschrift für Literatur, No 29

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kattz

 

blauwärts

blauwärts will ich ziehen.
dem Lärm der Wolken folgend.
entrückt dem Grasland
und seinem Blutgeruch.
mich angesellend jenen sanften Wesen,
deren Zeit vom Wind bemessen.

blauwärts will ich ziehen.
dem Geschrei der Sterne folgend.
mit weichen Lippen
den Himmel berührend,
der sich über dem Grasland aufwölbt.

den letzten Brocken Fleisch herauswürgend,
erwärmt sich mein Speichel
beim Anblick der Tüpfelantilopen,
die von den Hügeln ins Tal niederströmen.
eine jegliche auf ihre Art.

blauwärts will ich ziehen.
doch rotwärts geilt mein Herz.


kattz

moritz, dialinblau

moritz ist tot. ich komme gerade von seiner totenfeier. vorher war ich noch gemüse ausliefern, wie wir das früher gemeinsam zu tun pflegten. und während ich die gemüsekisten ins haus schleppte und noch ein wenig konversation als zugabe obendrauf packte, pflegte moritz im auto zu sitzen und radio zu hören. oder er versuchte es doch wenigstens. denn da war immer so ein nebengeräusch, das ihn störte. und da er sich kompetent fühlte im umgang mit den dingen der welt, begann er, kaum hatte ich den rücken gedreht, seinerseits an den knöpfen zu drehen, mit dem immer gleichen ergebnis, daß er ausgerechnet jenen einen knopf erwischte, den es überhaupt nicht geben durfte und der trotzdem die ganze anlage lahm legte. so daß ich ihn immer irritiert und leise fluchend im wagen vorfand, wenn ich zurückkam, einen turm leergut balancierend, unter einem mond, der honig war oder sand, je nach gelegenheit, verstimmt und ärgerlich, weil die beschleunigte drehung der erdachse einmal mehr das prinzip der einfachheit und zweckmäßigkeit der dinge zu verraten drohte. und er sprach von potemkin und seinen horizontalen wolkenkratzern, die irgendwo in der ukraine (oder war es sibirien?) herumstehen. und ich sagte dann, moritz, das waren zwei miki und fünf blaue eps, notieren sie das mal irgendwo. und was zum teufel haben sie wieder mit der anlage gemacht? eine frage, die er umgehend dahingehend korrigierte, daß doch wohl eher gefragt werden müsse, was die anlage mit ihm gemacht habe, ja, was sie ihm angetan habe. die anlage. so würde ein schuh draus. und was für einer. in den könne sich seinethalben die ganze postmoderne verkriechen. und ein gewisser herr popper obendrein. und als ich im brunnenhof mit meinen schmutzigen fingernägeln an der hell gedeckten tafel saß, da mußte ich immer noch lachen über unsere gemeinsamen gemüsetouren. über die horizontalen wolkenkratzer. und über popper im schuh. und dann dachte ich, während ich mir ein stück kuchen auf meinen teller schaufelte, daß er nun also tot ist. und es tat mir nicht leid um seinen tod. aber ich ging dann früher als die übrigen gäste. ging unter einem dialinblauen himmel, den es gar nicht hätte geben dürfen. und den es wohl auch nicht gab.