Wandler - Zeitschrift für Literatur
Editorial
(go) Nichts zu lachen zu haben scheint inzwischen ganz wesentlich
den Alltag der Menschen auszumachen. Und so hat es uns auch nie
gewundert, daß die Texte, die wir in unserem Briefkasten
(und die Sie -liebe Leser/innen- im Heft) fanden, nicht immer
von Frohsinn und bester Waschmittellaune zeugten. Nicht immer:
Die wenigen humoristischeren, satirischen oder einfach bösen
Einlagen von Volker Schmidt, Dieter Lohr - oder um in die Antike
abzutauchen: Martin Zürn und Dieter Kief - verstand vor allem
die Literaturkritik zu ignorieren und attestierte: "Weltschmerz
und Weinerlichkeit im finalen Stadium".
Nun ist es nicht immer der Wille der Redaktion sondern einfach
der Zufall, der die Heftkonzeption macht.
Wer diesmal nur Unheilschwangeres auf den folgenden Seiten entdeckt,
dessen Blinder Fleck dehnt sich bedrohlich über das gesamte
Gesichtsfeld aus und bedarf augenärztlicher Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit verdienen aber auch die diesmal in der Minorität
stehenden Texte. Und vielleicht steigert das eher humorvolle Umfeld
ja den beabsichtigten Eindruck.
Während der Arbeit an diesem Heft erreichte uns die Nachricht
vom Tode eines Menschen, dem auch der "Wandler" viel
zu verdanken hat.
Ende September starb
Josef "Bibi" Wintjes
im Schlaf an einem Herzinfarkt.
Keiner von uns kannte ihn persönlich, und doch sähen
unser Heft und die gesamte "kleine" Literaturzeitschriftenszene
Deutschlands ohne die Arbeit und das Engagement dieses Menschen
anders aus.
Er sorgte dafür, daß AutorInnen und KleinverlegerInnen
in der Zeitschrift "Impressum" Informationen austauschen
konnten. Er war der Anstoß dafür, daß Menschen,
die in der "alternativen" Literaturszene engagiert waren,
voneinander erfuhren und miteinander in Kontakt kamen. Er sorgte
dafür, daß über seine Versandbuchhandlung jeder
(fast) jede in Deutschland erscheinende Literaturzeitschrift beziehen
konnte - von den meisten nahm der reguläre Buch- und Zeitschriftenhandel
niemals auch nur Notiz. Seine Zeitschrift war für viele AutorInnen
die Quelle für Kontaktadressen zu Zeitschriften, und wenn
im "Wandler" immer wieder Texte von Menschen aus allen
deutschsprachigen Ländern zu lesen waren, dann ist das der
Verdienst von Bibi Wintjes.
Er tat seine Arbeit unter den (gelinde gesagt:) schwierigsten
finanziellen Bedingungen und opferte nicht nur Zeit und Geld sondern
sicher auch die eine oder andere Freundschaft und Beziehung ...und
die Vermutung, daß er auch seine Gesundheit mit in die Waagschale
warf, liegt nahe.
Wir sind Bibi Wintjes nicht nur Dankbarkeit schuldig oder Nicht-Vergessen.
Wir stehen in der Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß
die Arbeit, die er geleistet hat, nicht ungetan bleibt: denn sie
ist - das hat er uns vorgelebt - unverzichtbar.
nächste Seite
Seite zurück
Wandler Nr. 16 - Inhaltsverzeichnis
Wandler - Startseite
|