Der
Brennende
Busch



Klaus Peter Knoll

31 Kurze Geschichten über Glück und Unglück in der Liebe


Le coeur a ses raisons que la raison ne connaît point.
(Blaise Pascal)


I - Mai

WAHRSAGUNG

"Dieser Mann ist Gift für Sie. Mit ihm werden Sie viel zu leiden haben." Betäubt starrte sie auf die Karten, hob dann zweifelnd ihren Blick der Alten entgegen. "Sie müssen mir nicht glauben, aber Sie werden mehr leiden, je länger sie warten. Und jetzt gehen Sie!"

Tagelang tropfte ihr das Gift ins Herz.

Die beste Freundin, die sie zur Kartenlegerin geschickt hatte, war schockiert aber nicht überrascht. "Sowas passiert öfter. Vergiß den Kerl!" Sie gab ihr noch eine Adresse, zur Sicherheit. Dort hörte sie mit anderen Worten dasselbe.

Im Herbst ging sie für ein Jahr ins Ausland, wo ein langes Ende seinen Anfang nahm.

SCHNEESCHMELZE

Zuerst ganz langsam, dann unübersehbar, dann überall, so rinnts weg in tausend Bächen. Man schaut, ganz klar, es ist immer noch so viel übrig, es wird nie aufhören, man weiß das. Und eines Tages, plötzlich, ist auch der letzte Fleck verschwunden.

TRAUMFRAU

Von ferne ein großer Supermarkt. Hinten im Lager, schwach beleuchtet, eine Tiefkühltruhe, vor der einer steht und mit dem leicht blöden Ausdruck der Ekstase seinen Finger in eine der tiefgefrorenen Puppen bohrt.

KÄFIG

Plötzlich wußte ich, ich würde alles tun, damit sie bliebe.

Sie war zweieinhalb und spielte mit mir. Ich hatte mich zur Verdeutlichung meines Zustandes in den Weidenkäfig gesetzt, den ich vor Jahren mit ihrem Vater gebaut hatte. Es schien ganz einfach. Eine Stunde im Garten der Freunde, ein Augenblick nur gegen die Jahre, die ich in anderen Behältnissen zugebracht hatte. Ich schaute in den Himmel, sah Regenwolken aufziehen. Ich wollte mich gerade niederlassen, als die Größere kam: "Spielst mit mir Federball?" - "Ja sicher." Aber schon nach drei Minuten hatte sie genug, weil ich im Käfig kaum einen Ball erwischen konnte. - "Du bist blöd!" sagte sie und zog ab ins Haus.

Auf diesen Moment mußte Valerie gewartet haben. Augenblicks stand sie vor mir, fackelte nicht lange: "Du bist der Papa, ich bin die Mama, aber wir haben noch kein Baby. Ich geh eins holen. Ach nein, ich koch uns zuerst Abendessen."

Sie brachte Sandkuchen, lehnte einen Moment ihren Kopf an meine Wange, "Wir müssen schlafen!" sprang auf, Frühstück zu machen. Mir wurde langsam schlecht beim Gedanken an die Unmengen Sand, die ich noch würde schlucken müssen.

Sie rettete ein Wolfsjunges vor dem Jäger, aber schon bald lief es uns davon, und weil ich aus meinem Käfig nicht herauskonnte, hatten wir keine Chance, es wiederzufinden. Sie schlüpfte jeden Abend zu mir ins Haus, berührte kurz meine Wange, sprang nach Sekunden wieder auf, hysterisch, "Ich muß Milch holen, wir haben ja keine Milch mehr!" lief davon und kam zufrieden grunzend zu mir zurück.

Später begann sie, Verbesserungen am Haus durchzuführen, legte Äste dran, baute ein Kinderzimmer für das Wolfsbaby, weil es vielleicht doch wiederkäme, einen Stall für den Hasen, den sie sich wünschte, einen Garten hatten wir schon, wir waren ja mittendrin.



II - Juni

TRIEB II

"Natürlich geht es nicht darum, das Unbewußte zu beherrschen oder zu kontrollieren", meinte H. "Es kommt darauf an, daß man im Sattel bleibt, daß der Mensch die Sau reitet und nicht die Sau den Menschen." Mir schien auch das noch vermessen.

UNFUG

Im Stadel spielten wir mit Gras. Wir spürtens innen und außen gleichzeitig. Dann lagen wir ganz ruhig. Es blieb auch ohne Halme unerträglich. Später hörte ich, es sei grober Unfug gewesen wegen der Verletzungsgefahr, weil eine durchstoßene Darmwand zum Schmerzhaftesten gehöre, was man sich vorstellen könne. Den Schmerz der Innigkeit aber konnte man auch operativ nicht entfernen.

MAMA

An den Heiratsantrag, den ich ihr gemacht habe mit sieben, will sie sich auf keinen Fall erinnern. "Das bildst dir ein!" Sie dreht entschieden den Kopf zur Tür. Ich hab den Blick auf ihren fünfundneunzig Kilo Unglück und kann selbst kaum glauben, wie verliebt ich war in die Frau mit der Schürze.

SPÄTER

"Später wird man sagen, man hat gelitten wie ein Hund, wird mit nachdenklichem Lächeln einer Andern in die Augen schaun dabei." - "Schon möglich, aber was mach ich jetzt?" - "Jetzt leidest wie ein Hund, und wennst fertig bist, sags, damit wir eine Flasche vom Guten aufmachen."

VERRAT

Zwei Jahre nach der Scheidung begriff sie endlich. Das war nicht mehr die Liebe, diese Ansammlung von Katastrophen und Mißerfolgen, die er veranstaltet hatte. Daß aus dem Audi Cabrio ein Schrotthaufen geworden war, aus der Firma eine Konkursmasse, aus ihm selbst ein Sanierungsfall, hatte nichteinmal etwas mit Erpressung zu tun. Das mußte er so gut wissen wie sie. Daß er sein Leben in die Luft sprengte, war der letzte Widerruf, der äußerste Verrat.



III - Juli

STATE OF AFFAIRS

"My first love. She had to work so hard just to run an apartment. At twenty-one you don't live together, at least that's not what you do in Arizona. Her father was from Washington. She had a chance to go to a college there. Study art. Thats what she wanted to. I was admitted to the Albuquerque photo-programe. We talked about it for a month. We saw no way to work it out. In the end it seems we were not that much committed, but it hurt oh so painfully. And then again we were way too young to get married. When I brought her to the plane we said we would meet again some day, some place, although we both knew this was never going to happen."

Und auf meine Frage: "Did you ever?" schüttelt er den Kopf. "No no. But when I came back to the car, sat down, I saw that the mileage counter was exactly on zero zero zero. I couldn't believe it. I stared at it for minutes. Then the tears began to flow."

Die Art, wie seine Hände jetzt unruhig über den Tisch gehen, gibt mir den Gedanken ein, es wären seine letzten Tränen gewesen seither. Aber ich wage nicht zu fragen.

SCHLÜSSEL

"Oije", sagte der Mann vom Schlüsseldienst, der wenig vertrauenerweckend aussah, "das ham ja wir gemacht." Er grinste in zwei fragende Gesichter, die sich aneinander vorbei ihm zuschwindelten. "Zwei Stunden mindestens." Er nannte einen Preis, der einem Bankeinbruch nahe kam. "Gibts keine andere Möglichkeit?" Der Bräutigam zuckte mit den Schultern, die Frau dachte nach. Schließlich kamen sie auf das Badezimmerfenster, das vielleicht, wahrscheinlich, je länger sie redeten umso sicherer, offenstand. Die Fünfmeter-Leiter des Nachbarn hing an der Wand des Blockhauses. Sie beschlossen, um diese Zeit nicht mehr zu fragen. Die beiden Männer, der eine in Monteurskluft, der andere im Stresemann, schleppten sie herbei, sie reichte gerade an die Dachrinne. Nach fünf Minuten ging die Tür von innen auf, "Willkommen zuhause." Sie bezahlten und mußten dann nochmal vor die Tür, damit er sie über die Schwelle tragen konnte.

Später erzählten sie lachend, wie mühsam sie sich das nunmehr eheliche Heim erobert hätten. Nach der Scheidung wechselte die Erinnerung an diesen Einbruch ihre Farbe.

JETZT (Hund II)

Ich litt schon wieder wie ein Hund. Aus Liebe diesmal, aus Begehren, oder was immer ich dafür hielt. Körperlich war da kein Unterschied. Nur machte das Leuchten in den Augen meine Freunde fragen, ob ich neuerdings mehr dem Alkohol zuspräche. Ich verneinte und verschwieg, was mir zusprach.



IV - August

TÄUSCHUNG

"Du bist", sagte B., "und ich spreche da ganz persönlich, wie ein Kind, das bei seinen Eltern liegt und träumt, es sei krank oder es werde geschlagen. Aber nichteinmal sie können ihm helfen, denn niemand kann die Träume eines andern betreten."

Ihm selbst aber sind, erzählt man, zu seiner Zeit die Tränen wie Regen übers Gesicht gelaufen.

ENGEL

"L'ange passe, il s'arrête pas." Tiefer Blick und stummer Schauer im Altstadtcafé, wo der Putz von den Wänden bröckelt, der Gast seine Verwüstungen im Gesicht trägt.

In den eleganten Bars gegenüber wars dasselbe, nur lackiert, und daß dort jeder glaubte, er wäre selbst der Engel.

VOGELJUNGES

Sie fütterte ihn mit kleinen, nervösen Küssen. Ihre Augenlieder gingen wie verrückt. Den Kopf in den Nacken geworfen, zog sie sich ein wenig zurück, als er heftig an sie sich drängte, "Nur das", flüsterte sie, "bitte!" zitterte bis in die Flügelspitzen.

TREIBSTOFF

"Die Liebe GOttes, die größer ist als jede menschliche Liebe, sei alle Zeit mit euch!" Drohend hob er die Rechte, mit ausgestrecktem Arm jagte er sein Geschoß durch die Gemeinde, das Zeichen des Kreuzes. Damit war die Trauung beendet. Sie, deren Herz er gebrochen hatte, fünf Jahre zuvor, "Nein wirklich", sagt sie, "es hat fast vier Jahre gebrannt, jeden Tag, ich meine jeden Tag", sie hatte ihn darum gebeten, die Predigt zu halten.

Wie diese Liebe in ihm brannte, unverlierbar, ließ alle erschauern, aber wer die Geschichte nicht kannte, hätte nicht sagen können, woher die Gänsehaut kam.



V - September

HUREN

"Manche vögeln wirklich sensationell gut. Da könnten die meisten was lernen. Aber sie geben sich nicht selbst dabei. Das ist der Unterschied." Wir nahmen gleichzeitig einen Schluck, ich nickte, obwohl ich nicht ganz überzeugt war, erzählte von der großen Puff- und Nachtklub-Tour, auf der ich gelernt hatte, daß nicht die Hübschen, die Jungen und Aufreizenden das große Geschäft machten, sondern die runden Mammis. "Ach die", berichtete ich das Achselzucken des Tiroler Oberzuhälters, "die sein nua da Aufbuzz." - "Kann schon sein", erwiderte H., "man muß sich halt trauen."

RADU

Er hat einige Jahre mit seiner Mutter auf dem Bahnhof gelebt, in einer öffentlichen Toilette. Manchmal besucht er sie noch dort. Die Tage verbringt er auf der Straße, zum Schlafen kommt er ins Kinderhaus der Schweizer Caritas. Dazu muß er zuerst dem Lack abschwören, dem Rausch, der Sucht, dem einzigen Trost bisher. Aber im Kinderhaus gibt es Carole, die Betreuerin aus Lyon. Sie macht ihn bleiben. Er faßt einen Plan. Er wird an ihrem Programm teilnehmen, Bukarest verlassen, auf der Farm arbeiten, etwas lernen. In dieser Woche macht er ihr seinen Heiratsantrag. Sie lächelt, ist gerührt. Wenige Tage später nimmt er sie zum Bahnhof mit. Sie ist die erste und einzige, der er seine alte Mutter zeigt. Carole steht verlegen neben der Tür, streicht ihm durchs Haar, er schüttelt sie ab. Etwas schnürt ihr die Kehle zu. Es ist nicht das Elend, der Gestank, die Verwahrlosung. Das alles kennt sie gut und genau aus der Arbeit. Es ist die Ahnung, die ihr aufsteigt, seiner Kämpfe, seiner Liebe, und davon, wie sie strategisch diese Liebe mißbrauchen wird. Noch Jahre später, während sie zögernd ins Mikrofon spricht, das Geheimnis zu bewahren sucht, belegt sich ihre Stimme.

REST

"Die längste Zeit", sagt er, "war ich der Meinung, ich muß froh sein, wenn eine für mich übrigbleibt." - "Wenn man dich so ansieht, möcht man's gar nicht glauben." - "Naja, ich hätts dir nicht auf die Nase binden können, und der Vorletzten, die noch übrig war, schon gar nicht, das hätt sie ja beleidigt. Aber mir war schon klar, daß eine, die sich mit mir abgibt, es auch sehr not hat, daß's mit der nicht weit her sein kann."



VI - Oktober

DOPPELBETT

Kennen lernte ich den Chef der Nervenklinik, mit dem ich schon übers Jahr im selben Club spielte, indem ich wie nebenbei sagte: "Diesen Sommer wär ich fast Kundschaft geworden bei dir." Wir setzten uns mit dem Schilcher auf den Parkplatz, ich brachte die dramatisierte Fassung meines Sonntagsromans, er nickte ins Glas, "so schlimm?" deutete spärlich an, daß er wußte, kannte, glaubte. Am Ende seufzte er: "Wasn sonst soll dich wieder hineinziehn in den Strom des Lebens, wennichtdie Liebe?"

Viele Wochen und Gespräche später rief ich ihn an in der Klinik, ich bräucht jetzt doch dringend einen Platz, und in seine noch stumme Frage prustete ich schon hinein: "Aber nur mit Doppelbett."

KONSPIRATION

Wie die Sucht, wie das Verbrechen verlangt es die Liebe nach Mitwissern, Komplizen, Verbündeten, möchte sie das Gehimnis bewahren und aufdecken zugleich.

EINZELBETT

Die ersten zwei Wochen waren wir hauptsächlich krank. Krank vor Verlangen, Sehnsucht und Schnupfen. Das Fieber ergriff uns so vollständig, daß wir ganze Tage im Bett verbrachten. Jeder in seinem eignen, was der Sache auch nicht half.



VII - November

TRICK

"Sie erinnern mich an jemand, den ich einmal sehr geliebt habe", sagte er. Zwei Stunden später lag er in ihren Armen. Er konnte nicht glauben, daß es so einfach war, aber es funktionierte. Er baute die Methode aus, ließ nur mehr ahnen, daß es eine angenehme Erinnerung sein mußte, die ihn dazu veranlaßte, die Grenzen der Konvention zu strapazieren, sich der Lächerlichkeit auszuliefern. Mit der Zeit ließ er das Begehren weniger aus den Worten, mehr aus den Augen kommen. Er verbrachte viele Stunden mit seiner Suche, nahm Witterung auf und Duft. Ohne zu überlegen spürte er, wann der richtige Zeitpunkt gekommen war, manchmal schon auf der Straße, manchmal im Café, im Bus, in der Parfümerie. Es funktionierte immer und immer schnell.

Eines Tages lief er einer hinterher, die erinnerte ihn wirklich an jemanden. Wie gewohnt wollte er sich Zeit nehmen, Beine und Hüften auf sich wirken, die Phantasie, den Mut in Schwung kommen lassen. Es beschlich ihn jedoch eine seltsame Unruhe, er spürte seine Sätze durcheinandergeraten. Weil er nicht stotternd vor ihr stehen wollte, beschleunigte er seinen Schritt, ging ihr vor, wagte auf gleicher Höhe nichtmal einen Sekundenblick aus Augenwinkeln, er war ohnedies ganz sicher, diese oder keine, hielt an, stand errötend seiner Mutter gegenüber.

Von da an erinnerte ihn keine mehr an irgendwas.

KLEINE TODE

Angekommen der absichtslose Pfeil im Schwarz, der Lichtstrahl auf dem Film.

TRIEB IV

Wirklich kommts darauf an, daß man reitet und nicht geritten wird. Aber wie jedes starke Tier kann die Sau auch mal durchgehen mit ihrem Reiter. Da zeigt sich, wer vom Reiten was versteht, und wen's bei der Schweinsgallopade auf die Nase haut.



VIII - Dezember

o.T. (Methadon)

Daß sie zwei Jahre lang Methadon verabreichte in unmerklich abnehmender Dosierung, bevor sie zum harten Entzug überging - war das nun Rücksicht, Liebe, nüchternes Wissen um medizinische Notwendigkeiten oder etwas ganz anderes?

TRIEB VI

Wie die Sau erstarkt! Täglich spür ich das Tier mir im Genick, wie es mit dionysischem Gelächter mich vorwärtstreibt: "Schneller, du abgeschlaffter Hirnlappen!"

SIEBEN JAHRE

"Einmal", erzählt mein Freund, der Rechtsanwalt, "bin ich nachhaus gekommen, die Doris ist wie immer vorm Fernseher gesessen, der Bub war grad bei der Oma, und plötzlich, ich weiß gar nicht warum, hab ich zu ihr gesagt: 'Du, sag mal, freuts dich eigentlich noch?' Sie hat mich gleich verstanden: 'Mit uns meinst?' Ich hab nur so irgendwohin geschaut, genickt vielleicht, weil mir haben schon lang nur mehr die jungen Dinger gefallen, Parties und Sauna und so, weißt eh. 'Also ehrlich, zwischen uns ist doch schon lang nix mehr.' - 'Ja', hab ich gesagt, 'und drum hab ich einen Termin gemacht beim Herbert, nächste Woche Donnerstag, es iss dir doch recht?' Es hat aber garnicht gestimmt, es war nur so eine momentane Idee, eine Eingebung. Aber wie sie gesagt hat: 'Ja, iss gut, gehn wir zum Herbert', da hab ich Füße gekriegt, daß ich in einer Woche alles unter Dach und Fach bring. Gottseidank hab ich ein nettes kleines Sparbuch gehabt, weil das Haus hier, sechs Millionen hat der Berghammer geschätzt neulich, kannst dir vorstellen, das geht ja nicht so leicht normalerweise, naja, fertig wars noch nicht, und mit neunhunderttausend cash war sie sicher gut bedient. Mir wär aber noch fast ein Blödsinn passiert mit dem Sparbuch. Ich habs schon zwei, drei Jahre gehabt, und das Losungswort, ich hab damals gar nicht gewußt warum, aber das war von Anfang an 'Freiheit', ich mein, das hab ich dann schon verstanden, im Nachhinein muß man ja öfter schmunzeln über sich, aber ich hab vergessen, es ändern zu lassen, und als der Herbert, guter Kollege natürlich, ein echter Freund, bei der ersten Besprechung, das warn nur fünf Minuten übrigens, als er ihr das Sparbuch rüberschiebt, da hats mir einen Stich gegeben, den weiß ich noch wie heute, weil die Doris war der Typ, die hätt nur wegen dem alles wieder zurückgezogen, die hätt mir das nie verziehn, die hätt Schwierigkeiten gemacht bis an ihr seliges Ende, wenn sie da draufgekommen wär. Ich also wechsel zweimal die Farbe, stotter was von fünfzig Blauen, die ich letzte Woche schwarz reingekriegt hätt, daß ich die noch drauflegen wollt, unbedingt. Ich weiß nicht, ob mich der Herbert verstanden hat in dem Moment, er hats aber dann doch mir gegeben: 'Wenn du meinst...', und eine Woche später sind wir nochmal fünf Minuten bei ihm gewesen."



IX - Januar

ENDE

"Es war immer da. Jeden Augenblick. Im Autobahntunnel, im Hörsaal, hinter dem Monitor, beim Abnehmen der Semesterprüfungen, im Bett bei einer andern, jeden Augenblick. Und in einer Minute wars weg. Für Immer. Ich hab nie wieder an sie gedacht. Nichteinmal jetzt, wo ich davon red, denk ich an sie. Sie hieß Martha, und ich könnte dir ihr ganzes Leben erzählen, also alles, was ich jemals gehört hab, es is nix vergessen, ich würd trotzdem nicht meinen Ich-Denk-An-Sie machen. Es geht nicht mehr, nichteinmal, wenn ich mich bemüh."

HERZTENTAKEL

"Frisch operiert", berichtete G. knapp, "Phantomschmerzen, sicher." Aber der seltsame Arm mit den ungezählten Saugnäpfen sei verschwunden, unrettbar weggeschnitten. Er könne sich nicht vorstellen, daß er jemals wieder in solche Abhängigkeiten geriete. Ich war beeindruckt. H. lachte: "Paß nur auf, das wächst schneller nach als du denkst."

FEUERLÖSCHER

Als Hochzeitsgeschenk schmuggelten die Freunde einen Feuerlöscher ins Schlafzimmer. Der stumme Gedanke, der sich ihm aufdrängte in jener Nacht, daß die rote Bombe als Scherz zwar gut, in Wahrheit aber ein Irrtum war, über den er niemals mit irgendjemandem würde reden können, begleitete ihn viele Jahre. Als er dann wirklich einen gebraucht hätte, war natürlich keiner da.


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