| 
 
  
 31 Kurze Geschichten über Glück und Unglück in der Liebe
 
 
  Le coeur a ses raisons que la raison ne connaît point.(Blaise Pascal)
 I - Mai
  WAHRSAGUNG"Dieser Mann ist Gift für Sie. Mit ihm werden Sie viel zu leiden haben." Betäubt starrte
 sie auf die Karten, hob dann zweifelnd ihren Blick der Alten entgegen. "Sie müssen mir nicht glauben,
 aber Sie werden mehr leiden, je länger sie warten. Und jetzt gehen Sie!" Tagelang tropfte ihr das Gift ins Herz. Die beste Freundin, die sie zur Kartenlegerin geschickt hatte, war schockiert aber nicht überrascht. "Sowas
 passiert öfter. Vergiß den Kerl!" Sie gab ihr noch eine Adresse, zur Sicherheit. Dort hörte
 sie mit anderen Worten dasselbe. Im Herbst ging sie für ein Jahr ins Ausland, wo ein langes Ende seinen Anfang nahm. 
  SCHNEESCHMELZEZuerst ganz langsam, dann unübersehbar, dann überall, so rinnts weg in tausend Bächen. Man schaut,
 ganz klar, es ist immer noch so viel übrig, es wird nie aufhören, man weiß das. Und eines Tages,
 plötzlich, ist auch der letzte Fleck verschwunden. 
  TRAUMFRAUVon ferne ein großer Supermarkt. Hinten im Lager, schwach beleuchtet, eine Tiefkühltruhe, vor der
 einer steht und mit dem leicht blöden Ausdruck der Ekstase seinen Finger in eine der tiefgefrorenen Puppen
 bohrt. 
  KÄFIGPlötzlich wußte ich, ich würde alles tun, damit sie bliebe. Sie war zweieinhalb und spielte mit mir. Ich hatte mich zur Verdeutlichung meines Zustandes in den Weidenkäfig
 gesetzt, den ich vor Jahren mit ihrem Vater gebaut hatte. Es schien ganz einfach. Eine Stunde im Garten der Freunde,
 ein Augenblick nur gegen die Jahre, die ich in anderen Behältnissen zugebracht hatte. Ich schaute in den Himmel,
 sah Regenwolken aufziehen. Ich wollte mich gerade niederlassen, als die Größere kam: "Spielst mit
 mir Federball?" - "Ja sicher." Aber schon nach drei Minuten hatte sie genug, weil ich im Käfig
 kaum einen Ball erwischen konnte. - "Du bist blöd!" sagte sie und zog ab ins Haus. Auf diesen Moment mußte Valerie gewartet haben. Augenblicks stand sie vor mir, fackelte nicht lange: "Du
 bist der Papa, ich bin die Mama, aber wir haben noch kein Baby. Ich geh eins holen. Ach nein, ich koch uns zuerst
 Abendessen." Sie brachte Sandkuchen, lehnte einen Moment ihren Kopf an meine Wange, "Wir müssen schlafen!"
 sprang auf, Frühstück zu machen. Mir wurde langsam schlecht beim Gedanken an die Unmengen Sand, die ich
 noch würde schlucken müssen. Sie rettete ein Wolfsjunges vor dem Jäger, aber schon bald lief es uns davon, und weil ich aus meinem Käfig
 nicht herauskonnte, hatten wir keine Chance, es wiederzufinden. Sie schlüpfte jeden Abend zu mir ins Haus,
 berührte kurz meine Wange, sprang nach Sekunden wieder auf, hysterisch, "Ich muß Milch holen, wir
 haben ja keine Milch mehr!" lief davon und kam zufrieden grunzend zu mir zurück. Später begann sie, Verbesserungen am Haus durchzuführen, legte Äste dran, baute ein Kinderzimmer
 für das Wolfsbaby, weil es vielleicht doch wiederkäme, einen Stall für den Hasen, den sie sich wünschte,
 einen Garten hatten wir schon, wir waren ja mittendrin. 
 
 II - Juni
  TRIEB II"Natürlich geht es nicht darum, das Unbewußte zu beherrschen oder zu kontrollieren", meinte
 H. "Es kommt darauf an, daß man im Sattel bleibt, daß der Mensch die Sau reitet und nicht die
 Sau den Menschen." Mir schien auch das noch vermessen. 
  
  UNFUGIm Stadel spielten wir mit Gras. Wir spürtens innen und außen gleichzeitig. Dann lagen wir ganz ruhig.
 Es blieb auch ohne Halme unerträglich. Später hörte ich, es sei grober Unfug gewesen wegen der Verletzungsgefahr,
 weil eine durchstoßene Darmwand zum Schmerzhaftesten gehöre, was man sich vorstellen könne. Den
 Schmerz der Innigkeit aber konnte man auch operativ nicht entfernen. 
  MAMAAn den Heiratsantrag, den ich ihr gemacht habe mit sieben, will sie sich auf keinen Fall erinnern. "Das
 bildst dir ein!" Sie dreht entschieden den Kopf zur Tür. Ich hab den Blick auf ihren fünfundneunzig
 Kilo Unglück und kann selbst kaum glauben, wie verliebt ich war in die Frau mit der Schürze. 
  SPÄTER"Später wird man sagen, man hat gelitten wie ein Hund, wird mit nachdenklichem Lächeln einer
 Andern in die Augen schaun dabei." - "Schon möglich, aber was mach ich jetzt?" - "Jetzt
 leidest wie ein Hund, und wennst fertig bist, sags, damit wir eine Flasche vom Guten aufmachen." 
  VERRATZwei Jahre nach der Scheidung begriff sie endlich. Das war nicht mehr die Liebe, diese Ansammlung von Katastrophen
 und Mißerfolgen, die er veranstaltet hatte. Daß aus dem Audi Cabrio ein Schrotthaufen geworden war,
 aus der Firma eine Konkursmasse, aus ihm selbst ein Sanierungsfall, hatte nichteinmal etwas mit Erpressung zu tun.
 Das mußte er so gut wissen wie sie. Daß er sein Leben in die Luft sprengte, war der letzte Widerruf,
 der äußerste Verrat. 
 
 III - Juli
  
  STATE OF AFFAIRS"My first love. She had to work so hard just to run an apartment. At twenty-one you don't live together,
 at least that's not what you do in Arizona. Her father was from Washington. She had a chance to go to a college
 there. Study art. Thats what she wanted to. I was admitted to the Albuquerque photo-programe. We talked about it
 for a month. We saw no way to work it out. In the end it seems we were not that much committed, but it hurt oh
 so painfully. And then again we were way too young to get married. When I brought her to the plane we said we would
 meet again some day, some place, although we both knew this was never going to happen." Und auf meine Frage: "Did you ever?" schüttelt er den Kopf. "No no. But when I came back
 to the car, sat down, I saw that the mileage counter was exactly on zero zero zero. I couldn't believe it. I stared
 at it for minutes. Then the tears began to flow." Die Art, wie seine Hände jetzt unruhig über den Tisch gehen, gibt mir den Gedanken ein, es wären
 seine letzten Tränen gewesen seither. Aber ich wage nicht zu fragen. 
  SCHLÜSSEL"Oije", sagte der Mann vom Schlüsseldienst, der wenig vertrauenerweckend aussah, "das ham
 ja wir gemacht." Er grinste in zwei fragende Gesichter, die sich aneinander vorbei ihm zuschwindelten. "Zwei
 Stunden mindestens." Er nannte einen Preis, der einem Bankeinbruch nahe kam. "Gibts keine andere Möglichkeit?"
 Der Bräutigam zuckte mit den Schultern, die Frau dachte nach. Schließlich kamen sie auf das Badezimmerfenster,
 das vielleicht, wahrscheinlich, je länger sie redeten umso sicherer, offenstand. Die Fünfmeter-Leiter
 des Nachbarn hing an der Wand des Blockhauses. Sie beschlossen, um diese Zeit nicht mehr zu fragen. Die beiden
 Männer, der eine in Monteurskluft, der andere im Stresemann, schleppten sie herbei, sie reichte gerade an
 die Dachrinne. Nach fünf Minuten ging die Tür von innen auf, "Willkommen zuhause." Sie bezahlten
 und mußten dann nochmal vor die Tür, damit er sie über die Schwelle tragen konnte. Später erzählten sie lachend, wie mühsam sie sich das nunmehr eheliche Heim erobert hätten.
 Nach der Scheidung wechselte die Erinnerung an diesen Einbruch ihre Farbe. 
  JETZT (Hund II)Ich litt schon wieder wie ein Hund. Aus Liebe diesmal, aus Begehren, oder was immer ich dafür hielt. Körperlich
 war da kein Unterschied. Nur machte das Leuchten in den Augen meine Freunde fragen, ob ich neuerdings mehr dem
 Alkohol zuspräche. Ich verneinte und verschwieg, was mir zusprach. 
 
 IV - August
  TÄUSCHUNG"Du bist", sagte B., "und ich spreche da ganz persönlich, wie ein Kind, das bei seinen Eltern
 liegt und träumt, es sei krank oder es werde geschlagen. Aber nichteinmal sie können ihm helfen, denn
 niemand kann die Träume eines andern betreten." Ihm selbst aber sind, erzählt man, zu seiner Zeit die Tränen wie Regen übers Gesicht gelaufen. 
  ENGEL"L'ange passe, il s'arrête pas." Tiefer Blick und stummer Schauer im Altstadtcafé, wo
 der Putz von den Wänden bröckelt, der Gast seine Verwüstungen im Gesicht trägt. In den eleganten Bars gegenüber wars dasselbe, nur lackiert, und daß dort jeder glaubte, er wäre
 selbst der Engel. 
  VOGELJUNGESSie fütterte ihn mit kleinen, nervösen Küssen. Ihre Augenlieder gingen wie verrückt. Den
 Kopf in den Nacken geworfen, zog sie sich ein wenig zurück, als er heftig an sie sich drängte, "Nur
 das", flüsterte sie, "bitte!" zitterte bis in die Flügelspitzen. 
  TREIBSTOFF"Die Liebe GOttes, die größer ist als jede menschliche Liebe, sei alle Zeit mit euch!"
 Drohend hob er die Rechte, mit ausgestrecktem Arm jagte er sein Geschoß durch die Gemeinde, das Zeichen des
 Kreuzes. Damit war die Trauung beendet. Sie, deren Herz er gebrochen hatte, fünf Jahre zuvor, "Nein wirklich",
 sagt sie, "es hat fast vier Jahre gebrannt, jeden Tag, ich meine jeden Tag", sie hatte ihn darum
 gebeten, die Predigt zu halten. Wie diese Liebe in ihm brannte, unverlierbar, ließ alle erschauern, aber wer die Geschichte nicht kannte,
 hätte nicht sagen können, woher die Gänsehaut kam. 
 
 V - September
  HUREN"Manche vögeln wirklich sensationell gut. Da könnten die meisten was lernen. Aber sie geben sich
 nicht selbst dabei. Das ist der Unterschied." Wir nahmen gleichzeitig einen Schluck, ich nickte, obwohl ich
 nicht ganz überzeugt war, erzählte von der großen Puff- und Nachtklub-Tour, auf der ich gelernt
 hatte, daß nicht die Hübschen, die Jungen und Aufreizenden das große Geschäft machten, sondern
 die runden Mammis. "Ach die", berichtete ich das Achselzucken des Tiroler Oberzuhälters, "die
 sein nua da Aufbuzz." - "Kann schon sein", erwiderte H., "man muß sich halt trauen." 
  RADUEr hat einige Jahre mit seiner Mutter auf dem Bahnhof gelebt, in einer öffentlichen Toilette. Manchmal
 besucht er sie noch dort. Die Tage verbringt er auf der Straße, zum Schlafen kommt er ins Kinderhaus der
 Schweizer Caritas. Dazu muß er zuerst dem Lack abschwören, dem Rausch, der Sucht, dem einzigen Trost
 bisher. Aber im Kinderhaus gibt es Carole, die Betreuerin aus Lyon. Sie macht ihn bleiben. Er faßt einen
 Plan. Er wird an ihrem Programm teilnehmen, Bukarest verlassen, auf der Farm arbeiten, etwas lernen. In dieser
 Woche macht er ihr seinen Heiratsantrag. Sie lächelt, ist gerührt. Wenige Tage später nimmt er sie
 zum Bahnhof mit. Sie ist die erste und einzige, der er seine alte Mutter zeigt. Carole steht verlegen neben der
 Tür, streicht ihm durchs Haar, er schüttelt sie ab. Etwas schnürt ihr die Kehle zu. Es ist nicht
 das Elend, der Gestank, die Verwahrlosung. Das alles kennt sie gut und genau aus der Arbeit. Es ist die Ahnung,
 die ihr aufsteigt, seiner Kämpfe, seiner Liebe, und davon, wie sie strategisch diese Liebe mißbrauchen
 wird. Noch Jahre später, während sie zögernd ins Mikrofon spricht, das Geheimnis zu bewahren sucht,
 belegt sich ihre Stimme. 
  REST"Die längste Zeit", sagt er, "war ich der Meinung, ich muß froh sein, wenn eine für
 mich übrigbleibt." - "Wenn man dich so ansieht, möcht man's gar nicht glauben." - "Naja,
 ich hätts dir nicht auf die Nase binden können, und der Vorletzten, die noch übrig war, schon gar
 nicht, das hätt sie ja beleidigt. Aber mir war schon klar, daß eine, die sich mit mir abgibt, es auch
 sehr not hat, daß's mit der nicht weit her sein kann." 
 
 VI - Oktober
  DOPPELBETTKennen lernte ich den Chef der Nervenklinik, mit dem ich schon übers Jahr im selben Club spielte, indem
 ich wie nebenbei sagte: "Diesen Sommer wär ich fast Kundschaft geworden bei dir." Wir setzten uns
 mit dem Schilcher auf den Parkplatz, ich brachte die dramatisierte Fassung meines Sonntagsromans, er nickte ins
 Glas, "so schlimm?" deutete spärlich an, daß er wußte, kannte, glaubte. Am Ende seufzte
 er: "Wasn sonst soll dich wieder hineinziehn in den Strom des Lebens, wennichtdie Liebe?" Viele Wochen und Gespräche später rief ich ihn an in der Klinik, ich bräucht jetzt doch dringend
 einen Platz, und in seine noch stumme Frage prustete ich schon hinein: "Aber nur mit Doppelbett." 
  KONSPIRATIONWie die Sucht, wie das Verbrechen verlangt es die Liebe nach Mitwissern, Komplizen, Verbündeten, möchte
 sie das Gehimnis bewahren und aufdecken zugleich. 
  EINZELBETTDie ersten zwei Wochen waren wir hauptsächlich krank. Krank vor Verlangen, Sehnsucht und Schnupfen. Das
 Fieber ergriff uns so vollständig, daß wir ganze Tage im Bett verbrachten. Jeder in seinem eignen, was
 der Sache auch nicht half. 
 
 VII - November
  TRICK"Sie erinnern mich an jemand, den ich einmal sehr geliebt habe", sagte er. Zwei Stunden später
 lag er in ihren Armen. Er konnte nicht glauben, daß es so einfach war, aber es funktionierte. Er baute die
 Methode aus, ließ nur mehr ahnen, daß es eine angenehme Erinnerung sein mußte, die ihn dazu veranlaßte,
 die Grenzen der Konvention zu strapazieren, sich der Lächerlichkeit auszuliefern. Mit der Zeit ließ
 er das Begehren weniger aus den Worten, mehr aus den Augen kommen. Er verbrachte viele Stunden mit seiner Suche,
 nahm Witterung auf und Duft. Ohne zu überlegen spürte er, wann der richtige Zeitpunkt gekommen war, manchmal
 schon auf der Straße, manchmal im Café, im Bus, in der Parfümerie. Es funktionierte immer und
 immer schnell. Eines Tages lief er einer hinterher, die erinnerte ihn wirklich an jemanden. Wie gewohnt wollte er sich Zeit
 nehmen, Beine und Hüften auf sich wirken, die Phantasie, den Mut in Schwung kommen lassen. Es beschlich ihn
 jedoch eine seltsame Unruhe, er spürte seine Sätze durcheinandergeraten. Weil er nicht stotternd vor
 ihr stehen wollte, beschleunigte er seinen Schritt, ging ihr vor, wagte auf gleicher Höhe nichtmal einen Sekundenblick
 aus Augenwinkeln, er war ohnedies ganz sicher, diese oder keine, hielt an, stand errötend seiner Mutter gegenüber. Von da an erinnerte ihn keine mehr an irgendwas. 
  KLEINE TODEAngekommen der absichtslose Pfeil im Schwarz, der Lichtstrahl auf dem Film. 
  TRIEB IVWirklich kommts darauf an, daß man reitet und nicht geritten wird. Aber wie jedes starke Tier kann die
 Sau auch mal durchgehen mit ihrem Reiter. Da zeigt sich, wer vom Reiten was versteht, und wen's bei der Schweinsgallopade
 auf die Nase haut. 
 
 VIII - Dezember
  o.T. (Methadon)Daß sie zwei Jahre lang Methadon verabreichte in unmerklich abnehmender Dosierung, bevor sie zum harten
 Entzug überging - war das nun Rücksicht, Liebe, nüchternes Wissen um medizinische Notwendigkeiten
 oder etwas ganz anderes? 
  TRIEB VIWie die Sau erstarkt! Täglich spür ich das Tier mir im Genick, wie es mit dionysischem Gelächter
 mich vorwärtstreibt: "Schneller, du abgeschlaffter Hirnlappen!" 
  
  SIEBEN JAHRE"Einmal", erzählt mein Freund, der Rechtsanwalt, "bin ich nachhaus gekommen, die Doris ist
 wie immer vorm Fernseher gesessen, der Bub war grad bei der Oma, und plötzlich, ich weiß gar nicht warum,
 hab ich zu ihr gesagt: 'Du, sag mal, freuts dich eigentlich noch?' Sie hat mich gleich verstanden: 'Mit uns meinst?'
 Ich hab nur so irgendwohin geschaut, genickt vielleicht, weil mir haben schon lang nur mehr die jungen Dinger gefallen,
 Parties und Sauna und so, weißt eh. 'Also ehrlich, zwischen uns ist doch schon lang nix mehr.' - 'Ja', hab
 ich gesagt, 'und drum hab ich einen Termin gemacht beim Herbert, nächste Woche Donnerstag, es iss dir doch
 recht?' Es hat aber garnicht gestimmt, es war nur so eine momentane Idee, eine Eingebung. Aber wie sie gesagt hat:
 'Ja, iss gut, gehn wir zum Herbert', da hab ich Füße gekriegt, daß ich in einer Woche alles unter
 Dach und Fach bring. Gottseidank hab ich ein nettes kleines Sparbuch gehabt, weil das Haus hier, sechs Millionen
 hat der Berghammer geschätzt neulich, kannst dir vorstellen, das geht ja nicht so leicht normalerweise, naja,
 fertig wars noch nicht, und mit neunhunderttausend cash war sie sicher gut bedient. Mir wär aber noch fast
 ein Blödsinn passiert mit dem Sparbuch. Ich habs schon zwei, drei Jahre gehabt, und das Losungswort, ich hab
 damals gar nicht gewußt warum, aber das war von Anfang an 'Freiheit', ich mein, das hab ich dann schon verstanden,
 im Nachhinein muß man ja öfter schmunzeln über sich, aber ich hab vergessen, es ändern zu
 lassen, und als der Herbert, guter Kollege natürlich, ein echter Freund, bei der ersten Besprechung, das warn
 nur fünf Minuten übrigens, als er ihr das Sparbuch rüberschiebt, da hats mir einen Stich gegeben,
 den weiß ich noch wie heute, weil die Doris war der Typ, die hätt nur wegen dem alles wieder zurückgezogen,
 die hätt mir das nie verziehn, die hätt Schwierigkeiten gemacht bis an ihr seliges Ende, wenn sie da
 draufgekommen wär. Ich also wechsel zweimal die Farbe, stotter was von fünfzig Blauen, die ich letzte
 Woche schwarz reingekriegt hätt, daß ich die noch drauflegen wollt, unbedingt. Ich weiß nicht,
 ob mich der Herbert verstanden hat in dem Moment, er hats aber dann doch mir gegeben: 'Wenn du meinst...', und
 eine Woche später sind wir nochmal fünf Minuten bei ihm gewesen." 
 
 
  IX - Januar
  
  ENDE"Es war immer da. Jeden Augenblick. Im Autobahntunnel, im Hörsaal, hinter dem Monitor, beim Abnehmen
 der Semesterprüfungen, im Bett bei einer andern, jeden Augenblick. Und in einer Minute wars weg. Für
 Immer. Ich hab nie wieder an sie gedacht. Nichteinmal jetzt, wo ich davon red, denk ich an sie. Sie hieß
 Martha, und ich könnte dir ihr ganzes Leben erzählen, also alles, was ich jemals gehört hab, es
 is nix vergessen, ich würd trotzdem nicht meinen Ich-Denk-An-Sie machen. Es geht nicht mehr, nichteinmal,
 wenn ich mich bemüh." 
  
  HERZTENTAKEL"Frisch operiert", berichtete G. knapp, "Phantomschmerzen, sicher." Aber der seltsame Arm
 mit den ungezählten Saugnäpfen sei verschwunden, unrettbar weggeschnitten. Er könne sich nicht vorstellen,
 daß er jemals wieder in solche Abhängigkeiten geriete. Ich war beeindruckt. H. lachte: "Paß
 nur auf, das wächst schneller nach als du denkst." 
  
  FEUERLÖSCHERAls Hochzeitsgeschenk schmuggelten die Freunde einen Feuerlöscher ins Schlafzimmer. Der stumme Gedanke,
 der sich ihm aufdrängte in jener Nacht, daß die rote Bombe als Scherz zwar gut, in Wahrheit aber ein
 Irrtum war, über den er niemals mit irgendjemandem würde reden können, begleitete ihn viele Jahre.
 Als er dann wirklich einen gebraucht hätte, war natürlich keiner da.  
 (c) 1996 Der Brennende Busch ~ Alle Rechte vorbehalten
 |