WANDLER, Zeitschrift für Literatur, No 29
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Eveline Urban
ohne titel
“Ich weiß noch, wie Grazia Patrizia gestorben
ist.
Wir haben damals in einem Häusl
am Rand von einem
Dorf bei Zwettl
gewohnt,
und ab und zu hat die Frau Prinz vorbeigeschaut.
Sie hat ein paar Warzen am Kinn gehabt,
mit Haaren drauf,
und ihre Schürze
war an den Körperrundungen
schon ordentlich abgewetzt.
Zweimal täglich ist sie mit ihrem Rehrattler
eine halbe Stunde auf dem Wirtschaftsweg
in die Felder hinein spazierengegangen,
und am Rückweg ist sie bei uns vorbei.
Einmal kommt sie wieder,
müd vom Gehen,
und will sich bei uns im Hof hinsetzen,
aber außer einer Denglgoass
ist nichts herumgestanden.
Na was soll ich sagen,
die Denglgoass der Länge nach
war etwa die Hälfte von der Frau Prinz
ihrem Hintern.
Das Verbindungsstück
von der Sitzfläche in den Zwiesel hinein
ist durchgebrochen wie nix,
und die Frau Prinz ist im Hendldreck gesessen
und hat Tränen gelacht.
So sehr,
dass ihr die Kronenzeitung
unter der Achsel hervorgerutscht ist.
Vorn drauf
unter dem Titel “Fürstin Grazia tot”
war ein ganzseitiges Foto
von ihr
beim letzten Rot-Kreuz-Ball in Monaco.
Die Frau Prinz
hat hier mit Kuli
aufs weiße Ballkleid
eine dicke Halskette mit einem Kreuz
gemalt gehabt.”