Wandler, Zeitschrift für Literatur, Nr.26: WANDLER

Zurück zur Titel & Inhalt von Heft 26, zur Wandler Startseite

Walter Helmut Fritz

Es hieß so,

in einer abgelegenen Straße.

Die Tür war verschlossen.

Aus dem Obergeschoß eine Flöte,

ihr Klanglicht.

 

Die Fischbänke in der Nähe,

der Obstmarkt.

Von Schönheit und Erwartung

erzitternd der Tag,

als beginne eine Erzählung.

 

Die Menschen auf den Terrassen

tranken den lange vermißten

Sommer, gewannen Zugang

zu ihrem Leben, wußten,

sie sind auf der Welt.


Gegen Morgen sehe ich

unter der Dämmerung,

die das Zimmer umhüllt,

dein Gesicht im langsam

verebbenden Schlaf.

 

Bald ist es Zeit,

die Augen zu öffnen,

in die Stadt zu gehen

und die erträumten grünen

Schuhe zu suchen.


stand in kindlicher Schrift

an der Tür

 

die man sah und vergaß

und wieder sah

 

die nur angelehnt war, aber

- als man es endlich versuchte -

 

sich nicht öffnen ließ.


Über dem Blattwerk der erschauernden Reben

waren die Wolken Himmelsstreicher.

Am Eingang zum Dorf stand ein Mann,

bewegungslos, eingewachsen in die Umgebung

von Haus, Scheune, Hügel.

 

Seine Frau war gestorben, seine Tochter,

sein Sohn. Nun ist es still, sagte er.

Ich kann keinen Friedhof mehr sehen.

Auf einem Tisch das, was er verkaufte:

Astern, Äpfel, einige Flaschen Wein.


Aufnahme von André Kertész, Paris 1927

Zwei Hände, die ein Buch

aus einer Reihe nehmen.

 

Der Fotograf versteht,

er ist es selbst.

 

Wenn er zu sprechen anfängt,

fällt er sich ins Wort.

 

Sein Foto, absichtslos,

belehrt ihn.

 

Er hält sein Leben

in den Händen.

 

Er sagt adieu

und zieht dahin.


 

Wandler, Zeitschrift für Literatur, Heft 26

Zurück zum Anfang der Seite, zur Titel & Inhalt von Heft 26, zur Wandler Startseite