Uwe Radermacher

How to create the sexy look

Stimmt! Das erste, was du von ihr siehst, sind ihre Beine. Sofort verlierst du dich in der Frage, ob sie Strümpfe oder lediglich eine Strumpfhose trägt, und der grelle Lack ihrer hochhackigen Schuhe erschlägt dich.

Du bist schon zu betrunken, um zu unterscheiden.

Der allgegenwärtige Essiggeruch stößt auf.

Du versuchst mit deinen Händen ein verdrecktes Papier von dem Steinboden aufzuheben, aber nur um deinen Kopf tiefer zu kriegen. Der Boden ist voller Öllachen. Wie an der Tankstelle. Die Maschine muß aufgetankt werden. Es ist sehr heiß. Stickig, hastig, und schnell wird gesprochen, und tropfendes Fett schlägt dazu einen langweiligen Rhythmus. Du fällst gar nicht auf; die meisten sind betrunken.

Der große Kerl neben dir rülpst satt und laut. Seine Frau spuckt Speichelklumpen auf den Boden. Du hast dich wieder aufgerichtet, ordnest dich, rückst den Stuhl zurecht und stopfst noch eines der lauwarmen Fettstäbchen in dich hinein.

Zwei Meter vor dir lehnt sie sich gegen die Wand. Ihre kleinen Augen sagen dir, daß sie nicht besser dran ist als du. Ihr Mund wird genauso nach billigem Bier und Tabak stinken. In Wirklichkeit sieht sie elendig und müde aus, aber sie versucht, das Beste daraus zu machen.

Als sie mit der flachen Hand über ihren Mund fährt, bleibt die pinke Spur ihres Lippenstiftes wie eine Wunde in ihrem Gesicht.

Plötzlich verliebst du dich ein wenig.

Doch sofort deckt dich der angestaute Lärm zu.

Obwohl längst nach Mitternacht, kommen immer mehr Menschen. Die meisten in Gruppen. Nur ein älterer Mann ist allein. Alles drängt und stößt sich.

Du bist verwundert, daß du noch auf deinem Stuhl sitzt.

Dein Magen dreht sich; du schließt kurz die Augen und hälst dich an der Wand fest. Du hörst wie alle nach Geld kramen. Weiße, gelbe, schwarze Finger öffnen Knöpfe, durchstöbern Hosentaschen und drehen Münzen hin und her.

Woher kommen die bloß alle, und warum haben die es so eilig? Die Nacht ist doch schon längst vorbei, denkst du und bleibst, wie du bist.

Als du die Augen öffnest, steht sie vor dir. Alles an ihr ist müde und traurig. In den Händen hat sie eine Plastikschale mit Chips. Eine Spur der roten Soße läuft über ihre Brust. Du nimmst sie beim Arm.

Ihr stützt euch beide hinaus.

Der anhaltende Trubel auf der Straße verspricht Mitleid.

Du betest, daß wenigstens das Essen bei dir bleibt.


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