PostKorb, EinGang

(go) Die folgenden drei Rezensionen sind nicht mehr ganz frisch und aus den Tiefen meiner Festplatte aufgetaucht. Und allein die Tatsache, daß in Computern Texte - meist übrigens aus Schuld der Tastendrücker/innen - nicht nur verschwinden, wie die landläufige Klage geht, sondern auch auftauchen, rechtfertigt ihre Plazierung.

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"rheinschrift" heißt eine Buchreihe der Edition Isele aus Eggingen in Zusammenarbeit mit dem Oberrheinischen Dichtermuseum Karlsruhe. Deren erster Band ist im Frühjahr 1994 erschienen und präsentiert Ausstellungsdokumente zu einer Präsentation des "Stahlberg-Verlags", der von 1946 bis 1970 unter Leitung von Ingeborg Stahlberg nicht nur Arno Schmidt (1970 sogar "Zettels Traum" und viele "Gruppe 47"er) publizierte, sondern auch Namen wie Queneau und Perec im Verlagsverzeichnis aufzuweisen hat. Zwei Dinge sind bezeichnend: erstes erschienenes Buch waren 1946 Oscar Wildes "Märchen", und weiter: 1968 wurde der Verlag von einem deutschen Medienriesen aufgekauft, 1970 endgültig in den S. Fischer Verlag aufgegangen. So mag diese Fallgeschichte einen engagierten literarischen Kleinverlags vielleicht auch als "Vorgeschichte" des Kleinverlagssterbens der Gegenwart gelten. Das Bändchen enthält Verlagsgeschichtliches, Erfahrungsberichte, biographische Notizen und chronologische Titelverzeichnisse, die sicher nicht nur für Bibliophile interessant sind.

"rheinschrift 1. Die Bücher des Stahlberg Verlages", Edition Isele, 1994, 72S., 20 DM

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Herrn Kuglers Firma baut Stühle, Drehstühle haben Kugellager, Kugellager kann man auch in der Rüstungsproduktion einsetzen. Herr Kugler, der "Sitzgott", probt. In seiner Villa mit Blick auf den pazifistischen Genfer See probt er die Rede, die er zur Rechtfertigung des rüstungsindustriellen Engagements seiner Firma zu halten gedenkt. Und wir dürfen, über die Schulter des St.Galler Theater- und Romanautors Christoph Keller, dabei zuschauen. Auch wenn das eine oder andere Argument (daß es, lehne man selbst es ab, das Geschäft eben ein anderer macht) all zu bekannt vorkommt, würde ich mir doch wünschen, wenn sich das eine oder andere Ensemble (und sei es das Azubitheater der IG-Metall) dieses Stückes annähme.

Christoph Keller: "Der Sitzgott. Stuhlvariantionen mit Zeichnungen von Ingrid Tekenbroek", Edition Isele, 1994. 57S. DM 20.

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Und noch einmal Literarhistorisches, dennoch Ggegenwartsbezogenes, aus Baden: Exil, Widerstand und innere Emigration badischer Autoren (sic) dokumentiert eine gleichnamige Anthologie, die im Auftrag der "Literarischen Gesellschaft Karlsruhe / Scheffelbund" erstellt wurde. Neun Autoren (darunter Jacob Picard) und vier Autorinnen (eine davon Kaschnitz) umfaßt die Sammlung, mal ist der Ton literarischer, mal sind es dokumentarische Briefe und Tagebuchschnipsel. Sicher, so sagen es die Herausgeber, nur eine kleine, aber, so meine ich, eine notwendige Auswahl, in einer Zeit, in der sich die Literaten wieder einmal fragen lassen müssen, wo ihr Widerstand beibt... jenseits der akademoiden Debatten in Montagsmagazinen.

"Exil, Widerstand, innere Emigration. Badische Autoren zwischen 1933 und 1945", Edition Isele, 1993. 169 S. 24 DM.


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