Südkurier 14.12.1996


DIE ETWAS ANDERE LITERARTUR

Heiße Poesie um die Ohren gehauen

»Slam-Poetry« - Witz und Whisky im Intershop - Bereits erste Veröffentlichung

Slam, das heißt so viel wie "schlagen, zuschlagen". Slam-Poetry", das kommt aus dem Amerikanischen und bezeichnet eine Lesung, in der jederfrau und -mann, ob Profi-Poet oder Hobby-Dichter, dem Publikum öffentlich vortragen kann, was sonst in Schubladen zu Hause verstaubt. Dabei geht es nicht unbedingt um die hehre Kunst. Vielmehr um das Vergnügen. Absurdität ist durchaus gefragt - und zum Schluß entscheidet das publikuminöse Klatschometer darüber, wer die Flasche Whisky gewinnt.
"In München boomt diese Art Veranstaltung seit einigen Monaten", sagen Christian Humborg und Bernd Tömmes. Die beiden Studenten haben in Konstanz zum ersten Mal eine Slam-Poetry im »Intershop« in der Steinstraße organisiert. Unterstützt wurden sie dabei von der Konstanzer Literaturzeitschrift »Wandler«.
Zu Anfang gab's Bedenken: "Alle dürfen, alle sollen - aber kommen überhaupt genug Leute zum Lesen?" Es kamen genug und schließlich standen neun Leute auf der Liste; die ihre fünf- bis fünfzehnminütigen Texte vortragen wollten.
Bunt war die Palette: Von einer werbespruchstrotzenden Kurzgeschichte übers 11-Uhr-Loch, einer überfrachteten Bildpoesie aus dem Leben eines Fensterputzers bis hin zur knapper Lyrik, langen Märchen, oder einer hektischen, intellektuellen Kirchenpolemik.

Schreiben ist nicht einfach - das wurde an diesem Abend klar, denn ab und zu ging den Geschichten der rote Faden verloren; manches war inhaltlich zu komplex, um schnell runtergerasselt zu werden. Aber wer gut vortragen konnte, der hatte das Publikum in der Hand. Wie sagt Christian Humborg: "Der beste Poet verliert immer - die Show gewinnt", sei eine der Aussagen über Slam-Poetry. In Amerika darf dazu - was im »Intershop« harmlos ausfiel - kräftig kommentiert werden.
Zu Publikumslieblingen avancierten Volker Fietz mit seiner genüßlichen Beschreibung eines virtuellen Selbstmordes, Annette Müller mit ihrem sarkastisch-frauenproblematischen Wintermärchen, Martin Stockburger mit einem nichtendenwollenden inneren Monolog über die Qual des Schreibens und schließlich Thilo Schmid, der prägnante und eingängige, alltagsphilosophische Gedichte und Kurzgeschichten in ideenreicher Bildsprache präsentierte. Gewonnen hat Thilo Schmid, der gerade seinen ersten Gedichtband (Vacat-Verlag, Potsdam) veröffentlicht hat. Den Whiskey verteilte er dem hocherfreuten Publikum.
Köstlich amüsiert verließ eine kleine Schar von Menschen nach drei Stunden den »Intershop«. Christian Humborg und Bernd Tömmes versichern: "Das war nicht die letzte »Slam«".

SUSE HAASE


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